Hecken ähneln Korallenriffen, sie sind genauso unverzichtbar und schön.

Bildmodul

Denkt man an einen Eselstoß mit seinen 1.000 psi (Pfund-Kraft) dann erlebt man, welche Auswirkung Hochwasser hat wenn Teile Niedersachsens unter Wasser stehen. Ja, Hochwasser gab es bereits seit Äonen, aber nicht in diesem Ausmaß. Zwei Faktoren begünstigen diese Katastrophen, extreme Wetterereignisse und billardtischartige Landschaften. Fährt man mit der Bahn von Goslar nach Hannover wird dieses Bild deutlich. Flache Felder ohne Unterbrechung durch Bäume oder Hecken erstrecken sich so weit das Auge reicht. Auf Niedersachsens Feldern wird fast die Hälfte der deutschen Kartoffeln angebaut.

Hydro-Hecken!

Eine Hecke, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der Bodenbedeckung ausmacht, kann 67 mal (mal nicht Prozent) mehr Wasser speichern als das angrenzende Ackerland (Carrol, 2006; Simpson, 2017). Nur eine 50 Meter lange Hecke auf 1 Hektar kann bis zu 375 Tonnen Wasser speichern.

Das bezieht sich jedoch auf einen gesunden Boden.

Aber wie sieht das aus, wenn der Boden des Feldes durch schwere Maschinen verdichtet wurde? Stutter (2018) stellt fest, dass es bei verdichteten Böden zwischen drei- und zehnmal mehr Wasserabfluss gibt als bei gesunden Böden. Das zeigt, wie wichtig Hecken auf verdichteten Feldböden sind.

Selbst Landwirte scheinen vergessen zu haben, dass diese endlosen Felder praktisch erst seit einem Wimpernschlag existieren. Wenn man dreist sein wollte kann man behaupten, dass das Ende der Biodiversität am 14. Juli 1954 begann. Der 14. Juli 1954 war der Zeitpunkt, an dem die Flurbereinigung in Deutschland richtig groß wurde. Felder breiteten sich in alle Richtungen aus; alles, was im Weg stand, wurde abgeholzt. Deshalb hat Deutschland in 50 Jahren bis zu 80% der Hecken verloren die dort seit ein paar tausend Jahren standen.

Das AUS der Hecken?

Seit 8.000 Jahren prägen nicht nur mächtige Wälder das Bild Deutschlands, sondern auch Hecken. Einige Jahre v. Chr. beklagte sich Cäsar über die Schwierigkeit, die Gallier zu erobern, weil ihre Hecken seine Truppen behinderten.

Die Chance, heute eine Wildhecke zu sehen, ist ebenso so groß wie die, einen Trabbi auf deutschen Hauptstraßen zu überholen.

Zwischen Bremen und Oldenburg gab es früher 1300 km lange gesunde Hecken, heute sind sie höchstens 50 km lang.
England und Wales haben in den 1950er bis in die 1990er Jahre 180.000 km Hecken verloren. Frankreich hat 50 Millionen Euro für neue Hecken bereitgestellt. So desolat ist die Lage.
In Deutschland liegt die verbliebene Heckenfläche bei 50.000 ha. Das Agrarland dagegen liegt bei 17 Millionen Hektar.

Dass die Hecken in weniger als 80 Jahren im Durchschnitt um 50 % und in einigen Gebieten um bis zu 90 % zurückgegangen sind, ist nicht überraschend:

Für die Produktion von Pflanzen werden Hecken als hinderlich empfunden. „Die Anlage von Hecken ist eine der unbeliebtesten Maßnahmen bei den Landwirten“, sagte Christian Bohn an der Brandenburgische Technische Universität.

Für Förster besteht ein Wald aus Bäumen und nicht aus schnöden Sträuchern. Wie Christoph Steingaß vom Harzklub ausdrückte, muss man auch „die wirtschaftlichen Aspekte im Blick haben, damit man irgendwann ‚gute Balken‘ aus dem Holz schneiden kann.“ Mit anderen Worten, Bäume als Nutzholz.

Bedauerlicherweise legt die Bläulinge (Lycaenidae) ihre Eier nur auf die jungen Blätter der Schlehe, einem Strauch.

Korallenriffe im Meer, Hecken an Land

In de Hag wuhne: ‚Hag‘ ist ein Wort aus dem 12. Jahrhundert für Hecke, ein lebender Zaun; Hagebutte, ist eine Frucht der Hag. Ein Imperativ soll einen Ort angeben, an dem viele Tiere, Vögel und Insekten einen guten Lebensraum finden werden, „in der Hag wuhne“. Hecken sind einzigartige Ökosysteme, die zwischen Mensch und Klimakatastrophe stehen.

Hecken schützen Nutzpflanzen vor Sommerwinden und bewahren die Feuchtigkeit. Sie schützen sogar die mächtigen Bäume. Wo es Hecken gibt, kippen weniger Bäume nach einem Sturm um. Eine Faustregel besagt, dass eine nur drei Meter hohe Hecke eine bis zu 30 Meter entfernte Fläche schützen kann.

Beim sanft ansteigenden Waldrand werden die unteren Luftströme nur langsam nach oben gedrückt. Die Turbulenzen werden gemildert und der Wirkungsbereich gestreckt. Windwurf- und Bruchgefahr sind bedeutend kleiner (= optimale Waldrandstruktur). Bayerischer Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Hecken regulieren das Klima, helfen bei der Bodenverbesserung, Wasserversorgung, dem Hochwasserschutz, der Erosionskontrolle, der Schädlingsbekämpfung, der Luftqualität, der Windkontrolle sowie der Speicherung von Kohlenstoff.

Ein weiterer Vorteil ist ein klimaneutrales Energieholz. Stadt Basels Holzheizkraftwerk beliefert 5500 Haushälter mit Fernwärme und Strom (und ersetzt 3 Millionen Liter Heizöl). Etwa 13 Prozent davon waren Heckenholz, ohne den Hecken zu schaden. NABU (2008) unterstützt sogar eine Art Energieholzhecke.

Und das ist nur ein kleiner Anfang. Im Gegensatz zu Wäldern sind Hecken urlebendig, mit weitaus größerer Artenvielfalt. Man mag sich fragen, warum es heute 75 % weniger Insekten gibt als früher. Diese Tatsache ist Besorgnis erregend. Ein Grund dafür sind fehlende Hecken, der Lebens- raum von Insekten.

Hecken gehören zu den stabilsten Refugien für die Artenvielfalt. Ein Ökologe fand über 2.000 Arten, die eine einzige Hecke besuchen und bewohnen: Insekten, Säugetiere, Eidechsen, Vögel sowie eine Reihe von Pflanzen-, Moos- und Pilzarten. Sie sind artenreicher als Wälder (Wolton, 2017). Der Neuntöter oder die Turteltaube kommen weder im Offenland noch im Wald vor, sondern nur in Hecken.

Genau wie Korallenriffe bieten auch Hecken Kinderstuben, Nahrungsquellen, Unterschlupf, Nistplätze und Jagdstangen. Sie vereinen sehr unterschiedliche mikroklimatische Bedingungen auf engem Raum, von schattig-feucht im Kern bis zu sonnig-trocken an ihrem Rand. Das macht sie zu einem der artenreichsten Lebensräume überhaupt.

Und noch mehr. Das Ökosystem der Hecken unterstützt eine weit größere ökologische Gemeinschaft (Zimmer, 2021). Fledermäuse und Nachtfalter nutzen sie als Navi. Besonders wichtig sind sie, wenn sie dazu dienen, andere, oft zunehmend fragmentierte Ökosysteme miteinander zu verbinden. Mit anderen Worten: Sie dienen als Korridore für Tiere, die nicht von einem Habicht angegriffen werden wollen. Dachse, Igel und einige wirbellose Tiere wie Ameisen und Spinnen nutzen sie als Nebenwege, um sich in der Landschaft fortzubewegen.

„Hecken sind echte Tausendsassas“ (Don, 2022). Und Übrigens…ähnlich wie Korallenriffe im Meer sind sie am Waldrand genauso unverzichtbar…und…wunderschön.

Wie wäre es mit einem eigenen Mini-Nationalpark?

Statistiken zeigen, dass ca. 21 Millionen Deutsche einen Garten mit englischem Rasen haben. Multipliziert man diese Zahl mit 130.000 Litern Wasser, die ein durchschnittlicher Rasen in einer Saison benötigt, mag man sich fragen ob es vielleicht Alternativen gibt.

Die Pflege der Rasenflächen mit einem Viertakt Rasenmäher verursacht u.a. Methan, Stickoxide (saurer Regen), kleine Partikel, die tief in die Lunge eindringen, Kohlenmonoxid, Ethan.

Studien zeigen, dass das Mähen in einer Saison einer Autofahrt von 3.750 km entspricht – alles für einen Rasen!. Die Herbizide und Pestizide, die zur Verschönerung von Rasenflächen eingesetzt werden, wurden ursprünglich als chemische Waffen entwickelt.

Ersetzt man einen Rasen auf einer Fläche von nur 80 m² durch niedrig wachsende Blütensträucher – eine Mini-Hecke -so gibt man ca. 1.000 bis 2.000 Insekten, Bienen und Schmetterlingen einen Lebensraum. Und wo es Insekten gibt, gibt es auch Vögel und andere Tiere.

Forscher der Universität Bristol fanden heraus, dass es nicht auf die Größe des Gartens ankommt, sondern auf die richtigen nektarreichen Sträucher: „Die Vielfalt in städtischen Gebieten ist bemerkenswert hoch, viel höher als in den meisten natürlichen Lebensräumen, sogar in Naturschutzgebieten.“

Stell dir vor, es gäbe keinen Englischen Rasen,
Es ist ganz einfach, wenn du es versuchst.
Keine ökologische Einöde unter uns,
über uns nur Bienen und Schmetterlinge.

      John Lennon,  (leicht angepasst)

 

David Kahan